Eine gute Seele im Jenseits
Was geschieht mit uns nach dem Tod? Diese Frage beschäftigt den Menschen seit jeher. Antwort darauf können jene geben, die die Schwelle vom Diesseits zum Jenseits bereits überschritten haben. Der folgende Erlebnisbericht stammt von einer Verstorbenen namens Adelheid. Sie schildert auf medialem Weg, was sie nach ihrem Abscheiden von der Erde in der Jenseitswelt erlebte.
Adelheid: Liebe Geschwister, ich heisse Adelheid, und ich übte den Beruf einer Pflegerin aus. Ich war frühzeitig vom Elternhause weggegangen, weil da kein Friede war. Ich hatte mich in den Dienst des Nächsten gestellt; ich habe Kranke gepflegt. Als ich in die Geisteswelt hinübertrat, habe ich dafür auch meine Belohnung bekommen. Ich wusste, dass am Unfrieden der Familie mein Vater schuld gewesen war. Ich war sehr gläubig.
Als ich in dieser neuen Welt meine geistigen Augen öffnen durfte, war ich erfreut und überrascht über all das Herrliche und Schöne, das ich erleben durfte. Meine Geschwister, die vor mir in die Geisteswelt eingegangen waren, standen zu meiner Begrüssung da, auch meine Mutter. Ich sah auch Bekannte und Leute, die ich gepflegt hatte. Nun fehlte aber der Vater, und ich fragte, wo denn er sei.
Ich hatte einen Begleiter, der mir stets Auskunft gab. Er sagte mir, meinem Vater sei es nicht erlaubt worden, mich zu begrüssen. Ich wollte Näheres wissen: Warum durfte mein Vater denn nicht kommen, während meine Geschwister und meine Mutter bei meiner Heimkehr anwesend gewesen waren? Ich schaute diesem Engel, der mich begleitete, in die Augen. Sie waren so voller Güte und Liebe, und er hatte ein so freundliches Gesicht. Ich hatte Vertrauen zu ihm. Denn anfangs kam ich mir in dieser neuen Welt sehr fremd vor. Obwohl ich viele angenehme Begegnungen hatte, musste ich mich doch mit ihr vertraut machen.
Jetzt aber hatte ich nur ein Verlangen: meinen Vater zu suchen. Ich wusste doch um sein belastetes Erdenleben und ahnte, dass es ihm in der neuen Welt nicht gut gehen würde. So bat ich meinen Begleiter, er möge mich doch zu meinem Vater führen. Er aber sagte: “Liebe Schwester, diesen Wunsch kann ich dir jetzt nicht erfüllen.” So bat ich ihn, er möge mir doch Auskunft geben, wo denn mein Vater lebe und was er tun müsse. Und mein Begleiter antwortete: “Bei den Menschen auf der Erde ist es so: Wer sich nicht den Gesetzen untergeordnet hat, wer schuldig befunden wurde, wird eingesperrt. Wir in unserer Welt haben in ähnlicher Weise unsere Gefängnisse. Sie sind natürlich nicht zu vergleichen mit denen auf der Erde. Unsere Gefängnisse bedeuten eine Absonderung, ein Alleinsein, eine Verbannung.” Und er erklärte mir: “Dein Vater ist in einem solchen geistigen Gefängnis.”
Es wunderte mich nicht, dass er mir diese Antwort gab. Aber ich hatte doch Mitleid mit meinem Vater, und so bat ich diesen Engel, er möge doch alles tun, was in seiner Kraft stehe, um ihn aus der Bedrängnis herauszuholen. Er aber sagte mir, er hätte keine Bewilligung, meinen Vater von seiner Strafe zu befreien, da er noch längere Zeit in dieser Bedrängnis leben müsse. Er würde mir jedoch den Gefallen tun, zu ihm hinzugehen und ihm zu sagen, dass ich hier sei, ihn grüssen lasse und für ihn bete. Das versprach er mir ihm auszurichten.
Dann erklärte mir dieser gütige Engel: “Schau, dein Vater lebt nun in einer grossen Bedrängnis. Er hat sich im letzten Leben derart belastet, dass wir ihn in dieses Gefängnis führen mussten und er dort gebunden bleibt. Dein Vater ist ein Geist, der von ganz unten aufgestiegen ist. Er hatte aber aus seinem vorletzten Leben grosse Verdienste mitgebracht. Damals war er ein Mensch von Liebe und Hilfsbereitschaft gewesen und hatte dadurch eine gewisse geistige Höhe erreicht; so durfte er eine erhöhte Stufe einnehmen.”
Weiter erklärte mir der Engel, mein Vater habe in seinem vorletzten Leben ganz besonders gütige, liebende Eltern gehabt. Sie hätten sich sehr um seine Erziehung gesorgt und ihn mit Liebe erzogen, und diese Liebe sei ihm zugutegekommen: “Er wurde damals nicht alt, er wurde schon mit 35 Jahren abberufen; doch hatte er ein Leben von Hilfsbereitschaft und Güte gelebt. Es war ihm möglich gewesen, in derselben Art und in derselben Atmosphäre weiterzuleben, wie ihn seine Eltern erzogen hatten. Das gute Beispiel des Elternhauses hatte er mitgenommen, als er ins Leben hinaustrat und seine eigene Familie gründete. Aber es war den Eltern zu verdanken, dass er diese Verdienste erworben hatte; denn er war voller Vertrauen zu ihnen. Diese Hilfsbereitschaft, diese Güte und Liebe waren jedoch nur oberflächlich in ihm; er hatte sie von den Eltern erworben, aber sie reichten nicht bis in die Tiefe seiner Seele. Doch sie verhinderten es, dass die niederen Gefühle in ihm zum Durchbruch kamen, und so konnte er sich damit auch nicht belasten.
Er war also in der Tiefe der Seele nicht geläutert, sondern hatte seinen Aufstieg der fürsorglichen Erziehung seiner Eltern zu verdanken. Und dann wurde er eben in das letzte, in dieses bedeutende Leben hineingeführt. Jetzt hatte er nicht mehr das Glück, solche gütigen Eltern zu haben. Er wurde in eine Familie hineingeboren, in der es viele Geschwister gab. Kummer und Sorgen gab es sehr häufig in dieser Familie, und von dieser einstigen Hilfsbereitschaft und Güte war keine Rede mehr. Nun konnte das wahre Ich des Menschen zum Ausdruck kommen, denn von diesen Eltern bekam er nicht jenes gute Beispiel an Hilfsbereitschaft und Wohlwollen. So hatte er sich dann auch belastet. Er hatte sich der Trunksucht hingegeben, wurde ein jähzorniger Mensch und war niemals bereit, einem andern einen Dienst zu erweisen. Dadurch hatte er seine Schuldenlast auf sich geladen.”
Diese Last sollte er nun in der Jenseitswelt abtragen, so wurde es mir dargelegt; denn jetzt musste die Tiefe der Seele gereinigt werden. Und dies war nur möglich, indem man jetzt in der Geisteswelt sehr streng war mit ihm, ihm genug Gelegenheit zum Nachdenken gab, sodass er sich läutern konnte. Mein gütiger Begleiter fügte bei: “Die Ebene, in der dein Vater wohnt, sieht im Allgemeinen ganz ordentlich aus.” Ich durfte vernehmen, dass sie ihre verschiedenen schönen und weniger schönen Ortschaften hatte. Es gab Gegenden, die sehr schön waren, und es gab weniger schöne. Und an jene Orte, wo diese Farbenpracht und Vielfalt nicht zum Ausdruck kam, waren jene gebunden, die etwas gutzumachen hatten. Grosse Gebäude mit Abgrenzungen standen da, sodass diese Wesen sie nicht verlassen konnten.
So wurde ich von meinem Begleiter darüber unterrichtet, und er versprach mir, dem Vater jeweils meine Grüsse auszurichten. Er sagte mir, bei seinem nächsten Besuch wolle er ihn in den Garten dieses Gefängnisses begleiten, da könne er sich mit ihm über mich unterhalten. Ich wollte Näheres wissen, und er sagte mir: “Um dieses Gefängnis ist ein grosser Garten; er ist aber sehr öde, es sind nur einzelne Blumen und Sträucher oder Bäume zu sehen. Und die Umgebung ist abgegrenzt. Es stehen Engel als Wächter da, sodass keines dieser Wesen diese Grenzen überschreiten kann.”
Nebenbei gab mir mein geistiger Begleiter die Erklärung: “Siehe, es war schon einmal so: Als Adam und Eva ihre Aufgaben nicht erfüllten und sie aus ihrem Paradiese vertrieben werden mussten, hatten sich ebenfalls Engel des Himmels aufgestellt und ihnen den Übertritt in eine andere Sphäre verwehrt. Auch sie waren also an ihren Ort gebunden worden und durften die Grenzen nicht überschreiten. Die Heiligen des Himmels standen da und hielten Wache; denn jene Sphären mussten für den weiteren Aufstieg zuerst umgewandelt und dann weiter bearbeitet werden.”
So sollte es auch hier in der Umgebung meines Vaters sein. Er lebte in einer Stadt, wo glückliche Geschwister wohnen durften; aber er war an einem Ort, wo er eingeengt war und mit andern in Bedrängnis leben musste. Es wurde ihnen Gelegenheit gegeben, sich zeitweise im Garten aufzuhalten. Aber sie sollten nicht entfliehen können, und es gab auch kein Entfliehen. So wurde ich unterrichtet.
Nun wollte ich wissen: “Was kann ich denn für meinen Vater tun?” Und der Engel sagte mir: “Du hast in deinem Leben viele Verdienste erworben. Für den Vater hast du viel gebetet. Das Gebet, das du zu Lebzeiten für ihn verrichtet hast, konnte ihm dazumal nicht zugutekommen, denn er war ein ganz eigensinniger Mensch, und er hätte es auch nicht verdient, dass ihm durch dein Gebet Gnade zuteilgeworden wäre. Er sollte sich behaupten, sein wirkliches Ich sollte jetzt zum Ausdruck kommen.” Mein Gebet aber sei nicht umsonst gewesen, sagte man mir; seine Wirksamkeit habe es allerdings erst jetzt, da ich in der Geisteswelt sei – nun sollte es der Vaterseele zugutekommen.
Ich bat nun meinen Begleiter, er möge doch alles tun, um Befreiung für meinen Vater zu erwirken. Er versprach mir: “Deine Werke und dein Gebet sollen ihm eine kleine Erleichterung bringen, indem er nun in Zukunft eine Tätigkeit ausüben darf.” Denn bisher war er zum Nichtstun verurteilt, und das ist, wie man mir erklärte, das Schwerste in einer Welt, wo es keine Zeit gibt, wo man nicht weiss, was Heute ist und was Morgen, wo man nicht in die Zukunft blicken kann, wo die Hoffnung so weit weg ist. Er versprach mir, dafür besorgt zu sein, und brachte mir dann auch die Kunde, er habe nun die Grüsse bestellt und sei dafür besorgt gewesen, dass mein Vater in dem Raum, der ihm in diesem grossen Haus zur Verfügung stand, eine Beschäftigung ausüben dürfe. Gerne wollte ich wissen, welche Art von Beschäftigung dies sei; denn mein Vater war im Leben nur Gelegenheitsarbeiter gewesen, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass er eine Arbeit gewissenhaft ausführen konnte. Man sagte mir: “Er wird ganz kleine Spulen haben, mit denen er arbeiten muss. Sie werden ihm gebracht, alle Farben durcheinander, und er muss sie nach der Farbskala fein säuberlich ordnen. Durch diese Beschäftigung wird er doch etwas Freude erhalten.” Ihm war auch gesagt worden, dass dies auf meine Fürbitte hin geschehen sei. Mein Begleiter brachte mir dann die Grüsse vom Vater und die Mitteilung, er habe das Verlangen, mich recht bald zu sehen. Dies sollte aber noch nicht geschehen.
Was ich für ihn erreichen konnte, war, dass er arbeiten durfte, und dafür war er sehr dankbar. Jetzt fühlte er sich nicht mehr so einsam in seiner Zelle und musste nicht mehr untätig warten und warten, sondern konnte eine Arbeit ausführen. Wie man mir berichtete, gab er sich besonders Mühe und war gewissenhaft, denn er wollte doch aus dieser Gefangenschaft herauskommen – er hatte längst eingesehen, welche Fehler er im Leben gemacht hatte. Aber er wusste, dass es nun ja zu spät war und er jetzt abverdienen musste. So war ich froh darüber, dass meinem Vater wenigstens auf diese Weise geholfen werden durfte. Meine anderen Angehörigen konnten für ihn nichts tun. Es wurde ihnen nicht gestattet, ihn zu besuchen, noch, ihm irgendwelche Nachrichten zukommen zu lassen.
Nun musste aber auch ich in der neuen Welt Aufgaben übernehmen, und da ich im Leben alte Leute und auch Kinder besonders liebte, sollte ich jetzt in meiner neuen Welt auch wieder eine Beziehung zu Kindern und – ich sage jetzt auch wieder – zu alten Leuten haben. Was unter diesen alten Leuten zu verstehen ist, möchte ich erklären.
Ich wurde in eine andere Sphäre geführt; diese Sphäre, die meine neue Heimat sein sollte, durfte ich jederzeit betreten. Ich lebte in einem schönen Haus mit anderen Geistgeschwistern zusammen. Wir hatten ein wirklich glückliches Leben; wir konnten singen und musizieren, und wir freuten uns. Doch sollten wir mithelfen, den Heilsplan Gottes zu fördern, und sollten den Geschwistern, die im Aufstieg waren, den Weg zu den Höhen erleichtern. Wir mussten also unsere schöne, glückliche Stätte verlassen und uns ebenfalls in den Dienst des Nächsten stellen. Man sagte mir, man achte darauf, dass gewisse Fähigkeiten, die man aus dem Erdenleben in die neue Welt mitbringe, weiter ausgeübt werden dürfen, damit sie dem Heilsplan zugutekommen.
So führte man mich dann in ein Dorf. Ich hatte den Eindruck, dass es hier sehr lebhaft zuging, und ich hatte nicht das Gefühl, dass die Bewohner unglücklich wären. Ich sah verschiedene Häuser, grosse und kleine, und ich sah eine Farbenpracht bei den Blumen. Die Gebäude waren ebenso in ihren Farben, und so hatte ich nicht den Eindruck, dass es sich hier um eine unglückselige Sphäre handle. Man sagte mir dann auch: “Du wirst in einer erhöhten Ebene deine Aufgaben an deinen Geschwistern erfüllen. Aber jene, die in dieses Dorf oder diese Ebene eingekehrt sind, sind trotz ihrer geistigen Entwicklung eben noch mit ihrem irdischen Leben verbunden, und sie müssen nun diese Erdgebundenheit abstreifen.” Dabei sollte ich ihnen behilflich sein.
Die Geschwister, denen ich begegnete, waren alles Neulinge. Sie waren erst vor Kurzem heimgekehrt, und sie sahen alle ähnlich aus wie in den letzten Tagen ihres Lebens. Die meisten hatten die irdische Welt betagt verlassen und trugen an ihrem geistigen Leibe noch die Spuren ihres Alters. Sie hatten noch die Falten im Gesicht, und ihr Antlitz schien welk zu sein – eben wie das eines alten Menschen. So begegnete ich diesen Geschwistern. Und sie mussten sich ja mit ihrer neuen Welt auch zuerst vertraut machen.
Es war oft ein grosses Wirrwarr. Es wurde viel geredet; die einen staunten über das, was sie nun erleben durften, andere waren so überrascht von diesem neuen Leben, das sie nie erwartet hätten. Im Grunde genommen aber waren alle, die da zusammenlebten, gute Menschen gewesen. Sie waren also alle in ihrer Entwicklung und in ihrer Güte gleichgestellt und waren in dieselbe Sphäre hineingeführt worden. Wohl hatten sie noch verschiedene menschliche Schwächen an sich, die mit der Zeit ja auch abgelegt werden mussten.
Um was ging es nun bei diesen Geschwistern? Der grösste Teil von ihnen hatte immer noch das Gefühl, ein Leiden mit sich zu tragen. Eigentlich waren es nur wenige, die ganz zufrieden waren. Die meisten fühlten noch Beschwerden an ihrem geistigen Leib, dieselben, die sie zu Lebzeiten mit ihrem irdischen Leib gehabt hatten. Sie hatten Schmerzen, denn ihr alter, kranker Körper hatte ihnen Beschwerden gemacht. Sie waren in ihrem Denken noch so mit ihm verbunden und glaubten, sie hätten noch dieselben Schmerzen. Die einen zeigten Schwierigkeiten beim Laufen. Ihnen musste also beigebracht werden: “Hier in der neuen Welt habt ihr keine Leiden mehr, euer geistiger Leib plagt euch nicht mehr mit Schmerzen; die habt ihr in der irdischen Welt zurückgelassen. Ihr habt nur noch die Gedanken an das Leiden mitgenommen, aber wirkliche Schmerzen sind es nicht mehr.”
Ehe ich zu dieser Aufgabe ging, wurde ich ja unterrichtet, wie man sich mit diesen Geschwistern unterhält. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass ich bei ihnen beobachten solle, wie sie jünger würden. Ich sollte nun miterleben, wie das Antlitz dieser Heimgekommenen, das aufgrund ihres Alters voll Falten war, und wie die Gesichtszüge, die altersbedingt nicht besonders harmonisch waren, sich langsam verfeinerten. Man sagte mir, sie würden wieder jung werden, und zwar: Je schneller sie sich mit der neuen Ordnung vertraut machen würden, desto schneller könnten sie die einstige Jugend wieder zurückgewinnen.
Es braucht für viele eine Umstellung, sich dieser neuen Welt anzupassen. Diese Wesen sind guten Willens, sie wollen es tun, aber sie sind doch noch mit vielen Gedanken und Erinnerungen an das Vergangene gebunden; und durch diese Gebundenheit wird die Verjüngung hinausgezögert. Also müssen sie immer wieder unterrichtet werden: “Trennt euch jetzt von all diesem Irdischen, das euch noch bindet, damit ihr in die geistige Jugend hineinschreiten könnt. Dann werdet ihr wieder jung werden, und man wird euch nicht mehr einschätzen nach dem Alter, wie es bei den Menschen üblich ist, wo jeder sein Alter offen sichtbar mit sich trägt und man es schätzen kann. Wer sich in der geistigen Welt in die Ordnung fügt, bekommt ein jugendliches, herrliches Aussehen, und diese Jugend bleibt bestehen.”
So wurde ich also belehrt, und so sollte ich nun meine Geschwister belehren: “Ihr sollt ein immer besseres Aussehen bekommen. Hier ist es umgekehrt als im Erdenreich. Auf Erden erkennt man das Alter, denn der Mensch wird müde und seine Kräfte nehmen ab. Doch in der geistigen Welt kommt mit der Zeit eine Frische zum Ausdruck, die Jugend kehrt zurück. Alles das beobachtet man bei einem Wesen, das dieser Jugend entgegengeht, wenn es will; man muss also das Seine dazu tun, um diese Jugend wieder zurückzugewinnen.”
Ich musste diese Belehrungen ja nicht allein geben, aber ich hatte doch bei diesen Geschwistern meine Aufgabe. Und so hatte ich meine Freude daran, zu sehen, wie jene, die so müde heimgekommen sind und alt ausgesehen haben und nicht mehr richtig laufen konnten, nun so frisch davongingen, so jung geworden waren. Sie freuten sich selber darüber, dass sie jetzt diese Jugend behalten durften und immer so aussehen würden, wenn sie sich diesen neuen Gesetzen und dieser Ordnung anpassten.
Das war einmal meine Aufgabe an diesen Geschwistern. Sie alle mussten ebenfalls eine Aufgabe erfüllen, jedes nach seiner Fähigkeit. So wurden die einen da- und die andern dorthin geführt, und sie hatten sich zu üben in der Nächstenliebe. Denn im gemeinschaftlichen Zusammensein oder im gemeinsamen Arbeiten konnte auch der Charakter des Einzelnen zum Ausdruck kommen, und so musste man den einen oder andern tadeln, wenn er sich nicht richtig verhielt. Aber sie alle waren bestrebt, diese Jugend recht bald wieder zu erobern. So war das für mich etwas Schönes, eine freudige Aufgabe. Hier wurde die Jugend zurückgewonnen, und das ist etwas Schönes, wenn man das miterleben darf, wenn man selbst Hand anlegen darf, um dieses Schöne wieder zu gewinnen.
Aber ich hatte meine Aufgaben nicht nur bei diesen Geschwistern, ich sollte auch bei den Kindern tätig sein. Abwechslungsweise durfte ich also da und dort meine Tätigkeit ausüben.
Bei den Kindern, die in die Gotteswelt kommen, ist es umgekehrt als bei den alten Leuten: Die Kinder sollen wachsen, und es ist genauso schön, zuzusehen, wie sie an Wachstum zunehmen. Mit diesen Geistkindern muss man sich auch beschäftigen. Sie werden nach ihrem Alter eingestuft und dementsprechend gepflegt und unterrichtet, und es werden ihnen auch schon kleine Arbeiten aufgetragen. Viel Spiel wird da unter diesen Kindern gepflegt, besonders unter den kleinen; aber auch die grösseren dürfen sich diesen Spielen hingeben. Haben sie dann in ihrem Wachstum eine von der Geisteswelt bestimmte Grenze erreicht, müssen sie auch die geistigen Schulen besuchen; sie werden also unterrichtet und müssen lernen. Sie haben aber daneben noch viel Gelegenheit, auch zu arbeiten. Sie können sich den Engeln Gottes anschliessen, mit ihnen gehen und mit ihnen eine Aufgabe erfüllen. Es sind die Engel Gottes, die an diesen heimgekehrten Kindern die Aufgabe der Eltern übernehmen. Diese Engel sind ihre Pflegeeltern; sie sind also nicht ihre geistigen Eltern, über die ihr auch schon unterrichtet worden seid [siehe den Vortrag “Himmlische Ehen und Familien” im Bändchen “Meditationswoche 1965”, S. 85 ff.].
Eine solche Pflegemutter hat eine gewisse Anzahl Kinder, die sie umsorgt und für deren Wohl sie in jeder Beziehung besorgt ist. Sie geht mit ihnen hinaus in jene Umgebungen, die dafür gezeichnet sind, und zeigt ihnen von der göttlichen Welt, was ihr erlaubt ist. Das alles ist ja auch für diese Kinder begrenzt, denn – so wurde es mir auch erklärt – nicht alle kommen in die gleiche Sphäre hinein. Auch die Kinder, die heimkehren, haben einen unterschiedlichen Grad der geistigen Entwicklung, und sie werden dementsprechend in ihre Stufe hineingeführt, wo sie erzogen und gepflegt werden.
Da, wo ich nun meine Aufgabe an den Kindern erfüllen durfte, war eine gehobene Stufe – etwa gleich jener der älteren Geschwister, die der Jugend entgegengehen durften. Es war die gleiche Sphäre, aber diese Sphäre hat eben ihre verschiedenen Stufen, ihre verschiedenen Städte und Dörfer.
Also freute ich mich auch an der Aufgabe bei diesen Kindern, und sie zeigten sich zum grossen Teil sehr dankbar. Es gab auch welche, mit denen man Schwierigkeiten in der Erziehung hatte; aber durch grosse Hingabe und Aufopferung konnte man diesen Geistgeschwistern doch eine solche Erziehung geben, dass man sich über sie freuen konnte.
Es waren also Geistkinder da von allen Altersstufen des menschlichen Lebens, nach eurer Zeitrechnung vom Säugling bis zum vierzehnten Lebensjahr. Von da an wurden sie dann bestimmten andern Geistwesen übergeben, die nun die Aufsicht über sie übernahmen und sie ihren Schulen zuführten. So durfte ich also unter diesen Kindern tätig sein, durfte mit ihnen spielen, mit ihnen singen, musizieren und auch dabei sein, wenn die geistigen Lehrer kamen, die diese Kinder unterrichten mussten.
Man spricht in diesen Sphären die Sprache, die die Kinder in ihrem Elternhaus auf Erden gelernt hatten. Man führt sie auch zu Gruppen zusammen, in denen ein und dieselbe Sprache gesprochen wird. Also auch im Kinderparadies werden die verschiedenen Sprachen dieser Kinder gesprochen. Aber wie ich euch nun erkläre, werden die zusammengeführt, die dieselbe Sprache sprechen, und sie dürfen so miteinander spielen. Und die Engel, die sie unterrichten, sprechen selbstverständlich die Sprache dieser Kinder, in der sie sie ja erziehen müssen.
Wenn sich dann aber alle zusammenfinden, gibt es ein Kunterbunt an Unterhaltung. Denn bis zum vierzehnten Altersjahr – ich sage es nach euren Begriffen – werden die Kinder hauptsächlich nur in der einen Sprache unterrichtet, während diese Geistkinder nachher noch andere Sprachen lernen müssen. Und hier zeichnen sich schon unter diesen Kindern Sprachbegabte aus. Dies kommt daher, weil aus früheren Leben diese Fähigkeit vorhanden ist und weil man im Geiste erzogen wird und nur unter diesen Heiligen des Himmels aufwächst. So umgibt diese Kinder auch eine ganz bestimmte – ich möchte sagen – gereinigte Kraft, die es ihnen ermöglicht, schneller eine weitere Sprache wieder zu erlernen oder wiederzuerkennen, die sie in früheren Leben gesprochen haben. Aber das sind Ausnahmen. In der Regel ist es so, dass sie zuerst die Sprache richtig sprechen lernen müssen, die ihre Eltern gesprochen haben.
So erlebt man das Kinderparadies. Da gibt es natürlich viele Freuden, viele Feste. Die Kinder werden ganz besonders gepflegt, und man schenkt ihnen die Aufmerksamkeit, denn die Engelswelt steht ihnen doch ganz nahe zur Seite, und es kommen von den höchsten Stufen des Himmels jene hohen Wesen zu Besuch. Die Geistkinder werden auf diese Besuche vorbereitet. Sie schmücken sich und überreichen dann dem Besucher besondere Blumen oder kleine Geschenke, die sie selbst angefertigt haben. So ist es immer ein grosses Fest, denn diesen Geistkindlein gehört ja das Himmelreich.
So durfte ich also meine Aufgabe da und dort erfüllen. Dabei habe ich aber meinen Vater nie vergessen. Ich wollte ja meine ganze Hingabe dazu verwenden, ihm aus seiner Bedrängnis zu helfen. Ich wollte nicht nur meine Aufgabe erfüllen, wie sie mir aufgetragen worden war; sondern ich wollte auch meinen Vater von seiner Bedrängnis befreien. Daher erkundigte ich mich zwischendurch immer wieder nach ihm. Und als dann der Zeitpunkt dafür gekommen war, erklärte man mir, ich dürfe nun zu ihm gehen und ihn besuchen. Das war für mich eine ganz besondere Freude, etwas Unvergessliches.
So stand ich nun meinem Vater gegenüber. Zu Lebzeiten war er mir nie wohlgesinnt gewesen. Jetzt in der geistigen Welt bat er mich, ich möge ihm doch beistehen, und er bat mich um Vergebung. Ich war enttäuscht über sein Aussehen. Ich hatte das Gefühl, als wäre alles an ihm in Schmutz. Ich war mir doch nun von meinen Aufgaben her gewohnt, das Wachsen zu erleben – auf der einen Seite durfte ich erleben, wie die Jugend wiedergewonnen wird, und auf der anderen Seite das geistige Wachsen. Und nun sah ich meinen Vater in dieser Weise. Ich war betrübt, aber ich war darauf vorbereitet. Ich konnte ihm nun sagen, dass ich ihm beistehen möchte, wenn es mir erlaubt würde. Er gestand mir dann, dass er ja sehr überrascht gewesen sei, als er in dieser Welt erwachte. Er habe doch nie geglaubt, dass es ein Weiterleben nach dem Tode geben würde. Nun müsse er sich doch sagen, dass es so dumm von ihm gewesen sei, nicht selbst auf die Idee zu kommen, dass es wirklich ein Weiterleben gibt. Denn wenn er nur etwas mehr über Christus nachgedacht hätte, hätte er doch zu dieser Einsicht kommen sollen. Aber das ändere nun seinen Zustand nicht mehr, doch werde er nun sehr gehorsam sein, um eben aus dieser Bedrängnis herauszukommen.
Es wurde mir erlaubt, mit dem Vater in diesen Garten zu gehen, der so bescheiden aussah. Wir standen ganz nahe bei einem göttlichen Wächter, der dastand und uns den Weg weiter nicht freigeben wollte. Wir konnten nicht weiterschreiten, sondern nur etwas in die Weite blicken, das heisst, mein Vater konnte sehen, dass es ausserhalb dieses Gefängnisses eine schönere Welt gab. Er gestand mir, es wäre das erste Mal, dass er nun so in die Weiten blicken dürfe; bisher habe er eigentlich nur die Enge seines Gefängnisses erlebt – aber er habe es wohl so verdient. Bei unserer Trennung bat er mich, ich möchte doch alles tun, damit er so schnell wie möglich aus diesem Gefängnis herauskomme.
Was konnte ich tun? Ich hatte mit meinen Begleitern, mit den hohen geistigen Wesen, immer wieder von meinem Vater gesprochen. Ich wollte ihnen etwas anbieten und sagte: “Ihr könnt mir noch weitere Aufgaben auftragen; ich will sie erfüllen, denn ich möchte meinen Vater aus seiner Bedrängnis erlösen.” Sie aber sagten mir: “Du kannst keine weiteren Aufgaben mehr erfüllen; denn es ist genug, was du tust. Aber wenn du dich so einsetzt für deinen Vater, wollen wir dir auch die Genehmigung geben, ihn nun aus dem Gefängnis zu holen. Wir werden dir zeigen, wohin du ihn führen musst.”
Das war für mich eine Überraschung und eine Freude zugleich. Ich bereitete mich vor. Ich zog mir meine schönsten Kleider an, die ich hatte, und ging dann so, begleitet von einem liebevollen Wesen, zum Vater und brachte ihm diese frohe Botschaft, dass er das Gefängnis verlassen dürfe. So holten wir ihn, und er war überglücklich, ja er weinte vor Freude. Wir durften dieses Gefängnis verlassen, und der Engel, der sonst dastand und so streng Wache hielt, lächelte und liess uns durch. Wir konnten gehen – mein Vater war frei.
Mir war aber aufgetragen worden, wohin ich ihn führen sollte und bei wem ich mich melden musste. Es war ja dasselbe Dorf, aber die Umgebung war viel schöner. Mein Vater fühlte sich frei, und er war glücklich. Jetzt konnte er wieder in ein Haus eintreten; aber dieses war nun kein Gefängnis, und es gab keine Wachen vor dem Hause. Als ich mit meinem Vater in dieses Gemeinschaftshaus eintrat, waren die Bewohner gerade bei frohem Spiel beisammen. Sie begrüssten uns voller Freude, hiessen uns willkommen und boten uns einen Platz an. Und das Schöne, das ich beobachtete, war: Keiner von ihnen erkannte meinen Vater als einen grossen Schuldner; keines der andern Geschwister sah, dass er aus dem Gefängnis kam – abgelegt hatte er, gutgemacht seine Schuld, ihm war verziehen worden, frei war er. Mit Freuden nahm man ihn auf, und niemand wusste, woher er gerade kam. Das freute meinen Vater besonders, denn auf dem Wege hatte er mir gesagt: “Ich muss mich schämen, wenn die andern all das Üble sehen, das ich im Leben getan habe, und dass ich aus dem Gefängnis komme.” Aber ich sagte ihm: “Du brauchst dich nicht zu schämen, denn in dieser Welt zeigt man einander grosses Verständnis und Liebe.” Ich ahnte ja auch noch nicht, dass die andern nicht wissen sollten, wer er war. So feierten sie unser Kommen. Dann kam auch schon ein Geistbruder, der meinen Vater in Empfang nahm, ihm seinen Platz in diesem Hause anwies und ihm sagte, was er in Zukunft tun sollte. Und niemand tat dergleichen, als wüsste er etwas davon, dass er mit schweren Schulden beladen in die Jenseitswelt gekommen war. Nein, er hatte es gutgemacht und wurde als ein friedliches und liebes Wesen in die grosse Gemeinschaft aufgenommen. In dieser neuen Gemeinschaft sollte er nun beweisen, dass er würdig ist, sein Leben mit diesen Geschwistern zu teilen.
Mein Vater tat es. Ich besuchte ihn immer wieder und brauchte ihn nie zu ermahnen; denn er war so glücklich über diese wiedergewonnene Freiheit. Wohl hatte er mit der Zeit Freunde gewonnen, denen er es verriet, dass er einen schweren Weg hinter sich gelegt und seiner Tochter viel zu verdanken hatte. Aber sie alle, denen er das sagte, trugen ihm nichts nach. Sie freuten sich, dass er jetzt seinen Aufstieg gewonnen hatte und bereit war, sich einzuordnen.
So darf ich meinen Vater immer wieder besuchen. Er ist glücklich und erfüllt seine Aufgaben da in seiner neuen Umgebung mit seinen Geschwistern, mit denen er zusammenleben muss. Er ist froh und glücklich, das Schwere hinter sich gelegt zu haben, und er hat auch wieder seine neuen Aufgaben, die er erfüllen muss. Er wird noch immer unterrichtet über den Schöpfungsplan, über den Heilsplan, was für jedes Wesen eine Notwendigkeit ist. Denn ist man darüber unterrichtet, erfasst man den Sinn und den Zweck irdischen Lebens, und man gibt sich dementsprechend Mühe, seinen Aufstieg zu beschleunigen; man weiss dann auch, wie viel noch getan werden muss, damit man nur einigermassen eine geistige Höhe erreichen kann.
So erfülle ich meine Aufgabe in diesen beiden Sphären. Bei den Kindern freue ich mich an ihrem Wachsen, und in jener andern Ebene freue ich mich, wenn wieder einer von der Erde zurückkommt – müde, mit schwerfälligem Gang und mit altem Gesicht – und ich es erleben darf, wie er wieder jung wird und wie er dann nach einer bestimmten Zeit diese Ebene auch verlassen und eine Stufe weiter aufsteigen darf. Es ist eine schöne Tätigkeit und etwas Schönes, zu sehen, wie man wieder jung wird – durch Gerechtigkeit, durch die Liebe, durch die Treue, die Einsicht, den Frieden. Je grösser die Einsicht ist, desto schneller wird die geistige Jugend zurückgewonnen; je schneller man sich von allem Irdischen löst, desto schneller gewinnt man die Jugend zurück.
So, liebe Geschwister, verabschiede ich mich wieder von euch. Ich erzählte euch etwas von einer Welt, die euch noch fremd ist, mit der ihr euch aber vertraut machen sollt. So möge Gott euch die Kraft dazu geben, dass ihr immer näher an diese geistige Welt herankommt, dass die Bindungen von euch Menschen zu uns immer enger werden. So walte es Gott. Gott zum Gruss.
Erlebnisbericht von Adelheid vom 2. März 1966 durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich
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