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Unfalltod in den Bergen

Wird ein Mensch durch einen Unfall mitten aus dem Leben gerissen, so ist dies für seine Angehörigen besonders schwer. Wie aber ergeht es dem Verstorbenen selbst? Was bedeutet es für ihn, so plötzlich seine Liebsten und seine Aufgaben verlassen zu müssen? Der folgende Erlebnisbericht stammt von einem Verstorbenen namens Philipp. Er schildert durch Mittlerin Beatrice Brunner, wie er nach seinem Unfalltod in den Bergen in der Jenseitswelt aufgenommen und auf welche Weise seinen Hinterbliebenen Hilfe zuteilwurde.

Dauer:

54 Minuten

Datei:

Audio

Vortrag von:

Philipp, 4.9.1963

Veröffentlicht in:

Lesen Sie den Erlebnisbericht


Der Vortrag wurde am Abend des 4. September 1963 gehalten, also an jenem Tag, als bei Dürrenäsch im Kanton Aargau ein Swissair-Flugzeug abgestürzt war. Von den 80 Todesopfern stammten 43 Frauen und Männer aus dem kleinen Zürcher Bauerndorf Humlikon. Durch ihren Tod wurden 39 Kinder zu Vollwaisen. Vor dem Hintergrund dieses Unglücks steht der tröstliche Erlebnisbericht von Philipp.

Mein Name ist Philipp. Nur kurz will ich das zurückgelegte Leben streifen. Ich lebte mit Frau und Kindern und den Eltern zusammen. Ich musste für meine Eltern aufkommen, für ihr täglich Brot besorgt sein; ich tat es gerne, ich liebte meine Eltern. Wir lebten in einem schönen, harmonischen Verhältnis mit den Eltern zusammen.

Ich habe jeweils die Fremden geführt, sie auf die Berge begleitet. Und einmal war ich ganz allein für mich auf einen hohen Berg gestiegen, und von diesem Berg bin ich hinuntergestürzt, zu Tode gestürzt, wie ihr sagt.

Nun möchte ich von meinem Leben im Geisterreiche Gottes sprechen. Das Erste, was ich hörte, war: “Er ist tot; wir müssen uns seiner annehmen.” Das waren die Worte, die ich zuerst aufgenommen habe: “Er ist tot.” Und ich überlegte: “Bin ich wirklich tot? Wieso kann ich denn das hören?” Es war mir noch nicht klar, in welcher Form, in welcher Art das Leben nach dem Tode weitergehen sollte; auch fühlte ich mich etwas benommen. Da strich aber eine Hand über meine Stirn, über meine Augen, und jemand sagte zu mir: “Philipp, kennst du mich denn nicht? Ich bin doch der Franzl.”

Es war mir, als würde ich aus einem tiefen Schlaf erwachen: Ja, ich sah diesen Franzl – aber ich war einfach zu müde, ich konnte nicht denken und nicht reden. Dann aber sagte Franzl: “Ich bleibe jetzt ganz schön bei dir, und ich begleite dich und führe dich. Weisst, du hast jetzt Abschied genommen vom irdischen Reich, jetzt bist du im Reiche Gottes. Das Leben geht weiter, Philipp. Schau mich an, du kennst mich doch.” Und dabei versuchte er immer mit der Hand über meine Stirne hin und her zu streichen.

Dann war es mir plötzlich klar: Wahrhaftig, Franzl stand neben mir. Und so sagte ich zu ihm: “Was, du bist auch da?” Ach ja, ich entsann mich, er war ja auch gestorben. Er schüttelte mich und sagte: “Selbstverständlich, ich bin auch da, und die andern sind auch da. Grossvater ist da; du wirst ihn bald sehen. Und wohl noch vielen, die du kennst, wirst du begegnen – warte nur. Stütze dich etwas auf meinen Arm, ich führe dich.”

Ich betrachtete mich und dachte: “Hab ich denn nicht meine Beine, meine Arme und mein Rückgrat gebrochen? Ich bin doch ausgeglitten, bin abgestürzt”, das war mir klar, “aber kann ich denn wahrhaftig noch gerade stehen?” Dies dacht ich mir nur, und Franzl sah es und sagte: “Ach, du hast deine Beine nicht gebrochen, weder deine Hände noch deinen Rücken. Du bist gesund; dein Geist ist doch gesund – Philipp, wach auf.”

Ach ja, ich wollte ja aufwachen, und ich schaute um mich her. Es war mir, als würde ich eben weggetragen. Ich schaute vor meine Füsse hin, und es war mir, als würde der Boden unter meinen Füssen wegrennen. Ja, ich machte Gehbewegungen, aber die waren ja nicht so schnell, doch ich hatte das Gefühl, der Boden würde entfliehen. Und so ging der Franzl mit mir in die neue Welt hinein.

Er sagte zu mir: “Schau mal etwas nach rechts!” Und da sah ich drei schön gekleidete Gestalten. Ich kannte sie nicht, und ich fragte nun den Franzl: “Wer ist es denn? Ich kenne sie nicht.” – “Ja natürlich sind viele hier, die du nicht kennst. Weisst du, sie kommen mit dir noch ins Gespräch.” Und so fragte ich ihn: “Muss ich Angst haben vor denen?” – “Ja weisst du, das sind die Richter; sie werden über dich zu Gericht stehen so wie über alle andern. Es sind die Richter, aber du brauchst dich nicht zu fürchten. Komm, begrüsse sie.” Ja, auf Veranlassung von Franzl getraute ich mich, sie zu begrüssen. Ich hielt ihnen auch meine Hand entgegen, und sie nahmen sie, aber ihr Gesicht hatte sich nicht verzogen. Sie standen da wie Säulen, und doch waren sie so schön. Sie kamen mit mir aber nicht ins Gespräch.

Und da wurde ich eigentlich so plötzlich wach. Ich schaute nach allen Seiten, und plötzlich hört ich verschiedene Stimmen, und einer rief: “Führt ihn doch gleich ins Spital, führt ihn doch ins Spital. Ich kenne das, es tut nicht gut, wenn man solche nicht sofort ins Spital führt. Er ist abgestürzt, er gehört ins Spital.” Und schon drang wieder jemand an mich heran und sagte: “Es ist besser, du gehst jetzt zuerst ins Spital.” – “Ins Spital”, fragt ich den Franzl, “was soll ich im Spital? Ich habe ja weder Hände noch Arme gebrochen, ich gehöre doch nicht ins Spital.” – “Oh doch”, sagte der Franzl, “es ist wohl besser für dich, wenn wir dich ins Spital führen.”

Da kamen wieder welche zu mir heran und boten sich an, mir einen Dienst zu erweisen. Sie würden mich auch begleiten, und sie seien bereit, mir zu helfen; wenn ich etwas brauchte, solle ich mich bei ihnen nur melden, sie würden nicht weit vom Spital wohnen. Ich solle sie nur besuchen, man würde mir jeden Gefallen tun. Ja so gefällig waren sie alle. Aber sie forderten mich auf, doch ins Spital zu gehen. Und Franzl kehrte sich etwas ab und sprach mit einem von diesen drei schön gekleideten Gestalten einige Worte, die ich aber nicht verstehen konnte. Er wollte sich vergewissern, ob ich wahrhaftig ins Spital gehöre oder nicht. Dann gaben auch diese drei ihre Zustimmung. Ich sah es, ich sollte ins Spital. Nun, ich liess alles mit mir geschehen – ich war ja fremd, eine neue Welt tat sich plötzlich auf für mich. Und so führte man mich ins Spital, obwohl ich das Gefühl hatte, es wäre doch nicht notwendig, mich dorthin zu führen. Wieder sehr schnell waren wir an Ort und Stelle.

Ich hatte jedoch den Eindruck, das Spital müsste so aussehen wie auf Erden – ich hatte so meine Vorstellung von einem Spital –, aber es sah gar nicht so aus, sondern es war ein prachtvolles, längliches Gebäude mit vielen Säulen und einem schönen, langen Gang. Ich dachte: “Hier kann man doch so gut einhergehen” – zu beiden Seiten dieses Ganges waren herrliche Blumenbeete. “So etwas”, dacht ich, “gibt es doch im Spital nicht.” Und diese herrlichen Fenster – sie leuchteten ja in allen Farben! “Na”, dacht ich, “wenn die dem ‘Spital’ sagen, hab ich eben das Verständnis nicht dafür.” Gut, ich war ja bereit, zu erleben und zu sehen, was da alles war.

Da kamen diese drei Gestalten, die ich so im Stillen doch gefürchtet habe, hinter mir her, und sie machten mir das grosse Tor des Hauses auf. Ihre ersten Worte waren: “Trete ein, trete ein in dieses Haus, und erhole dich.”

Kaum hatte ich einige Schritte in diesen prachtvollen Garten getan, kamen eilends wiederum Wesen auf mich zu. Sie erkundigten sich, ob sie mir etwas abnehmen sollten, ob ich irgendwelches Gepäck hätte oder überflüssige Kleider. “Nein”, dacht ich, “was sollt ich für Gepäck haben? Wenn man ins Jenseits kommt, hat man doch kein Gepäck.” Ich wusste nicht, was sie mit diesem Gepäck meinten und mit den Kleidern – ich hatte ja nur gerade das, was mir am geistigen Leibe hing; ich hatte ja nichts anderes. Was wollten denn die tragen? Franzl sagte: “Du wirst später schon Aufklärung darüber finden, kümmere dich jetzt nicht darum.”

Und wie er diese Worte sagte, kam wieder jemand anderes auf mich zu. Ich hatte gar nicht die Möglichkeit, in das Haus einzutreten, ich wurde sozusagen bestürmt, und schon brachte man mir etwas zu trinken und sagte: “Bruder, du wirst doch bestimmt hungrig oder durstig sein; komm, wir geben dir eine Erfrischung”, und er bot mir etwas an. Franzl nickte mir zu: “Nimm nur davon, es tut dir gut.” Auch da dacht ich mir: “Hier, in diesem Reich Gottes, muss man noch essen und trinken? Hab ich mir’s doch anders vorgestellt.” Und ich nahm diesen Trunk. Er war etwas herb, aber ich fand ihn gut, und ich hatte das Gefühl, er würde mich stärken und aufmuntern.

Dann plötzlich machte ich mir doch meine Gedanken: “So schnell bin ich jetzt ins Reich Gottes eingegangen! Wie wird man über mich urteilen?” Ich hatte immer so etwas wie eine heimliche Furcht vor diesen drei so vornehmen Gestalten hinter mir, und ich dachte: “Die wissen ja alles aus meinem Leben! Ich kann ihnen nichts vormachen, sie wissen über alles Bescheid”, und so plagte mich etwas die Angst. Aber Franzl munterte mich auf: “Sei doch unbesorgt! Es geht alles gut, es geht alles gut. Du warst ja schliesslich ein guter Mensch, du warst doch ein guter Mensch, sorge dich doch nicht.” – “Ja, das sagst du, Franzl. Aber was tun und was sagen die, die zurückgeblieben sind? Wo nehmen sie jetzt ihr Brot her? Und meine alten Eltern?” Und ich machte mir plötzlich Sorgen.

“Komm jetzt, komm jetzt!”, sprach er, “geh weiter.” Und man führte mich in diesem Haus herum, und ich sah schöne Hallen; ich wusste ja noch nicht, auf welche Art diese benutzt wurden. Aber dann führte man mich in eine Kammer hinein. Sie war ganz von Licht durchflutet. Da drin waren zwei Liegestätten, auf denen zwei schliefen, und neben ihnen wachte jemand. Franzl sagte: “Siehst du hier die dritte, leere Liegestätte? Da kannst du dich hinlegen – komm jetzt.”

Und ich schaute hinter mich, ob diese drei Gestalten auch nachkämen, und sie waren wahrhaftig auch hinter mir. Das fand ich das Unheimliche, dass sie mit mir nicht ins Gespräch kamen. Es wäre mir besser und lieber gewesen, sie hätten mir gesagt: “Philipp, was hast du alles falsch gemacht! Gott wird dich bestrafen.” Das hätt ich lieber gehört als nur immer das Hintermirhergehen und diese Unsicherheit.

Franzl aber tröstete mich und sagte: “Ich bleibe jetzt neben dir. So wie bei den andern die Wache steht, so werde ich auch bei dir Wache halten. Du kennst mich doch, ich war doch der Franzl.” – “Ach ja”, sagt ich, “du warst ja auch ein guter Kerl”, und so legt ich mich hin.

Dann kam einer nach dem andern von diesen Vornehmen und nahm meine Hände. Jeder für sich faltete sie und betete mit mir. Ich musste nur die wunderschönen Worte hören, die sie sprachen. Es ging eine solche Wärme aus diesem Gebet heraus, aus dieser Fürbitte für mich an Gott, sodass ich mich danach sehnte, wieder von ihnen geführt, wieder von ihnen im Gebet begleitet zu sein. Als auch der Letzte meine Hände gefaltet und mit mir gebetet hatte, da wurde es mir so wonnig zumute: Alle Angst ging von mir weg, keine Sorgen drückten mich mehr. Ja, ich hatte meine Lieben zurückgelassen, und ich wusste, dass sie um mich weinten. Ja, ich wusste es; aber die drei, die mit mir gebetet hatten, versprachen, für meine Lieben zu sorgen. Sie würden sie besuchen, sagten sie mir bei ihrem Abschiedsgruss; sie würden dafür besorgt sein, dass sie ihr tägliches Brot hätten. Ich sollte mich nun ausruhen.

So war ich bereit, ich habe mich nur hingegeben. Es wurde mir klar: “Das waren Geister Gottes, Engel Gottes. Sie hatten mir die Hände gefaltet, sie hatten mit mir gebetet – so konnte es mir doch nicht mehr schlecht gehen.” Ich hatte Vertrauen zu ihnen gefasst, denn ihr Gesicht war ja nicht mehr streng gewesen; ich sah ihr Antlitz so voll Güte und Liebe, und ich hatte das Gefühl, ich könne unbesorgt sein.

Franzl sagte nun zu mir: “Jetzt versuchst du zu schlafen; aber ehe du einschläfst, bedarfst du noch eines Trunkes.” Man brachte mir noch einmal etwas zu trinken; doch es war etwas ganz anderes als vorher, es hatte etwas Bitteres in sich. Doch Franzl sagte: “Es ist gut, wenn du davon trinkst; du wirst wunderbar schlafen. Und wenn es nicht genügen sollte, wenn du mit diesem Trunk nicht schlafen kannst, dann wird dir etwas anderes gegeben. Du musst schlafen, Philipp, du musst. Du kannst dich nun erholen, ich wache bei dir, und die Engel werden nach dir schauen.”

Ich hatte das Gefühl, dass ich gut schlafen könnte. Nach diesem etwas bitteren Trunk überkam mich eine Müdigkeit, und ich schlief ein. Wie lange ich schlief, wusste ich nicht. Später hatte Franzl mich wieder aufgeweckt und mir gesagt: “Nun ist’s genug. Du hast gut geschlafen, lange hast du geschlafen, und ich war dir immer treu zur Seite gestanden.” Und als ich um mich her blickte, war ich ganz allein mit Franzl in dieser Kammer. Die beiden, die ich vorher bei meinem Eintritt gesehen hatte, waren weg, die Liegestätten leer. Franzl erklärte mir: “Bald werden wieder andere kommen, die der Ruhe bedürfen, und den Platz einnehmen.”

Da wollte ich von Franzl wissen: “Warum musste ich denn schlafen?” – “Weisst du”, sagte er, “so ein plötzliches Abschiednehmen hinterlässt zum grössten Teil immer etwas: Plötzlich macht man sich Gewissensbisse, man wird besorgt um jene, die zurückgeblieben sind. Man kann vor lauter Sorgen und Ängsten die Aufgaben, die einem ja auferlegt werden, nicht erfüllen – man wird zu fest und zu oft von den Tränen der Zurückgebliebenen angezogen. Und so ist Zeit vorübergestrichen: Sie haben um den Dahingegangenen geweint, und nach einer gewissen Zeit haben sie sich wieder aufgefangen, sie haben ihren Weg wieder gefunden. Dann wird man nicht mehr so von der Trauer und von den Tränen der Zurückgebliebenen ange­zogen, und so kann man in der Jenseitswelt besser seinen Aufgaben nachgehen und sie erfüllen.”

“Ja”, sagte ich, “aber ich darf doch bestimmt wissen, wie es den Meinen ergeht?” – “Sie haben den Weg gefunden”, sprach Franzl zu mir, “sie alle haben den Weg gefunden. Weisst du, man hat es dir hier versprochen, und die drei Engel haben dafür gesorgt, dass deine alten Eltern auch weiterhin ihr Brot bekommen und dass wieder etwas Sonne in das Haus kam. Es geht alles gut; bei Gelegenheit werden wir dich einmal hinführen. Doch jetzt sei unbekümmert und versuche deine Aufgaben zu erfüllen.”

“Ja welche Aufgaben stehen mir denn bevor?” Und ich wollte wissen: “Nennt man denn dieses Haus ‘Spital’, nur weil man darin schläft?” – “Ja”, sagte Franzl, “das nennt man Spital. Aber weisst du, es ist so: Bei dir genügte jetzt dieser Trunk, aber eben nicht bei allen. Viele nehmen davon und können doch nicht schlafen: Noch sind sie voller Ängste, noch sind sie besorgt um die Zurückgebliebenen, noch können sie sich nicht damit abfinden, im Reiche Gottes zu sein. Und dann sind jene Helfer notwendig, die in diesem Spital sind: Es sind Ärzte hier.” – “Ärzte”, sprach ich, “für was braucht ihr Ärzte? Bei Gott braucht man doch keine Ärzte.” – “Doch”, sprach er, “auch hier braucht es welche – gerade für jene, die eines schnellen Todes gestorben sind; denn die Seele muss sich zurechtfinden, und das ist keine Selbstverständlichkeit. Es kommt darauf an”, erklärte er mir, “in welchem Verhältnis man zu Lebzeiten zu Gott und seiner Welt gestanden ist: ob man in einem Vertrauensverhältnis zu ihm gewesen ist oder ob einem das alles fremd ist und man es nicht annehmen will.”

“Was geschieht denn, wenn einer vor lauter Sorgen und Ängsten nicht schlafen kann?”, wollte ich wissen. Und Franzl erklärte: “Diese Ärzte sind dafür unterrichtet. Das, was sie tun können, kann ich an dir nicht tun. Diesen Dienst kann ich dir nicht leisten; denn dafür ist ein Arzt bestimmt, es ist ein Engel Gottes, der seine Helfer hat. Und sie werden einen solchen dann sozusagen mit sanfter Gewalt in einen Schlaf versetzen.” – “Mit sanfter Gewalt – wie geht das?”, wollte ich wissen.

“Es gibt noch andere Dinge bei uns, die zur Verfügung stehen für jene, die nicht zu beruhigen sind, die jedoch würdig sind, dass man diesen Dienst an ihnen leistet. So gibt es Mittel, mit denen sie in den Schlaf versetzt werden. So wie die Menschen ihre Mittel haben, um Kranke in eine Narkose zu versetzen, so hat man Ähnliches im geistigen Reiche: Man versetzt sie eben mit sanfter Gewalt in diesen Schlaf, weil sie unbedingt zu ruhen haben. Und in dieser Zeit, da sie schlafen, ist ein Wächter neben ihnen, und Engel Gottes kommen immer wieder und schauen nach. Wenn es notwendig wird, werden diese Engel mit ihren kostbaren Ölen über die Stirn dieses schlafenden Geistwesens streichen, sie werden seine Hände mit Balsam einreiben. So tun es die Engel Gottes”, erklärte mir Franzl. “Weisst du, das ist das Himmelreich: Hier steht man für den andern ein, hier muss man dem andern dienen, und gemeinsam muss man aufwärtsschreiten, Gott entgegen, Stufe für Stufe hinauf. Aber Gott näherkommen kann man nur, wenn man in seinem Innersten diese harmonische Stimmung hat, diese Ausgeglichenheit, diesen Frieden und dieses Verlangen hat nach gar nichts anderem als nur nach Gott, nach Christus, ihnen zu dienen, für sie zu wirken, und man im vollsten Vertrauen zu ihnen ist. In diesem Gefühl muss man sein können, dann geht es immer schneller aufwärts.”

Weiter erklärte er mir: “Je mehr erdverbunden man ist, je weiter entfernt ist man von Gott, und je weniger wird es möglich, in seinen Dienst zu treten. Dann geht man in den Dienst des Menschen der Welt, und man hilft sich nicht. Man muss aber in den Dienst Gottes treten, man muss in die grosse Familie eintreten, in die Gemeinschaft mit Jesus Christus.” Ja, staunend hörte ich zu; ich hatte das Gefühl, als müsste man mir noch unendlich vieles erklären über diese neue Welt.

Da hatte nun einer von diesen drei Engeln zu mir gesagt: “Philipp, steh auf, und verlasse das Haus. Dein Freund, den du auf Erden hattest” – damit war Franzl gemeint –, “wird dich führen.” Und so gingen wir. Ich bedankte mich nach allen Seiten, wen ich auch sah – ich hatte das Gefühl, als sei ich allen zu Dank verpflichtet, die mir begegneten.

Kaum hatte ich die Kammer verlassen, begleitete man schon wieder andere hinein. Ich durfte noch sehen, wie meine Liegestätte auch wieder besetzt wurde und sich jemand niederlegte, der voll Trauer weinte, wahrhaftig weinte, weil er es nicht verstehen konnte, nun in einer neuen Welt zu sein, fern von seiner Familie, und alles zurückgelassen zu haben. Aber auch er wurde von einem guten Freund getröstet und musste sich zum Schlafe niederlegen. Dieses durfte ich sehen.

Nun war es mir klar, diese Ruhe und diese herrliche Atmosphäre konnten wohl nur in diesem Hause sein. Denn ich erinnerte mich noch an den Weg, den ich gegangen war: Es war auch etwas Betriebsamkeit auf dem Weg zu diesem Spital gewesen, denn von allen Seiten hatte ich Worte gehört, die man mir zurief, und auch sonst sah ich emsiges Treiben.

Ich sollte jetzt ja auch einer Arbeit zugeführt werden, und Franzl sagte: “Komm jetzt zuerst in mein Haus, ich habe nämlich ein Haus für mich.” Da wollt ich wissen: “Was tust du denn überhaupt? Ich habe doch gar keine Vorstellung vom Leben im Jenseits.” Und Franzl antwortete: “Es ist genauso vielseitig wie das Leben der Menschen auf Erden. Du kannst hier eine Tätigkeit ausüben, die so vielseitig ist wie die der Menschen auf Erden.” Aber ich wollte ja wissen, was er denn tue. Und er erklärte: “Siehe, ich habe dich jetzt in Empfang genommen, und ich möchte dir sagen, dass man mich dazu von meiner Arbeit weggeholt hat. Weisst du, zu Lebzeiten hab ich viel geschnitzt – du weisst ja, es war unser Verdienst so nebenbei. Und hier im Geisterreiche hab ich auch die Möglichkeit; doch hier schnitze ich nicht Holz, sondern mir stehen Steine zur Verfügung, und ich kann diese formen, indem ich sie sozusagen schlage und behaue und daraus Formen mache. Ich habe dafür meine Lehrer. Du weisst es schon, dies liegt mir etwas”, sprach Franzl.

“Nun, was für eine Arbeit hat man wohl für mich?” Und Franz sagte: “Ja, du hast wohl die Wahl. Du kannst ja auch auswählen, auf welche Art und Weise du dich beschäftigen möchtest – vielleicht in ähnlicher Art wie ich? Oder willst du dich vielleicht ganz in den Dienst des Nächsten stellen?”

Und Franzl erklärte mir: “Siehst du, als ich bei meiner Arbeit war” – und er zeigte mir ein grosses Steingebilde, bei dem ich mir noch nicht so richtig vorstellen konnte, was es daraus geben sollte –, “da sind diese drei zu mir gekommen, vor denen du so Angst gehabt hast, und sie haben mir gesagt: ‘Sei bereit, es kommt ein Freund von dir’ – ich wusste aber noch nicht wer –, und ich musste bereit sein. Ich hatte meine Arbeit nicht weiter ausgeführt und hielt mich sozusagen bereit, dass man mich holen konnte. Wann die Gelegenheit sich dafür biete, hatte man mir nicht genau erklären können. Dann hatten sie mich weggeholt und mich in die Nähe der Berge geführt. Und man führte mich mit diesen drei Engeln Gottes dir entgegen. Wir kamen bis zu deinem Haus und haben dich von deinem Haus aus den ganzen steilen Weg begleitet. Wir waren immer bereit, dich zu halten, dich zu heben, das heisst, dich [ins Geisterreich Gottes] hineinzuführen.” Und da wollte ich wissen: “Ja hättet ihr es denn nicht verhindern können?” – “Nein”, sprach er, “es war Bestimmung. Wir durften es nicht verhindern, wir wussten, dass du diesen Weg gehst und dass du kommen wirst, und so waren wir einfach bereit, bereit, dich aufzunehmen und hineinzuführen.”

Ich hatte es ja schön: Sie hatten mich begleitet, und ich hatte eine wunderschöne Aufnahme gefunden. Da hatte ich den eigentlichen Entschluss gefasst, ich möchte viel lieber auf diese Art und Weise wirken, wie Franzl sich in meinen Dienst gestellt. So wollte ich mich auch in den Dienst eines Wesens in der geistigen Welt stellen oder vielleicht auch in den Dienst eines Menschen, wenn ich dafür die Zustimmung von der höheren Geisteswelt bekäme. Und so kam ich ins Gespräch mit diesen drei Engeln, denn sie waren sozusagen meine führenden Geister.

Sie hatten mir nun vorgeschlagen, ich könnte jeweils zu jenen Menschen hingehen, die krank im Bette lägen und ihre letzten Stunden noch auf Erden verbrächten. Da könnte ich mich neben sie hinsetzen und mit dem Geist des Kranken beten oder einfach für ihn beten und für ihn Gottes Gnade und Barmherzigkeit erflehen. Die Engel sagten, ich solle es ähnlich tun, wie sie mit mir gebetet hätten, als ich in der Jenseitswelt auf jenem Ruhebett lag. Ja, das war für mich eine solche Wonne, eine solche Wohltat gewesen.

Ich hatte mich dazu entschlossen: Ich wollte mit jenen, die am Sterben waren, beten, wenn es ging. Ich wollte allein, aus eigener Kraft, beten; ich wollte den Kontakt mit dem Geist des Sterbenden aufnehmen und mit ihm beten, einfach so wie es ging. Ich wollte vielleicht auch bereit sein, falls es mir erlaubt wäre, irgendwo bereitzustehen, wenn jemand eines plötzlichen Todes sterben sollte; auch ich würde ihn führen. Doch ich wollte auch, wenn ich Bescheid erhielte, dass einer kommen werde, noch in den letzten Tagen seines Erdenlebens für ihn beten. Ich hatte den Wunsch, diese Menschen in ihrem Alltag begleiten zu dürfen und sie auf das höhere Leben hinzuweisen, sie sozusagen zu führen, mit ihnen zu beten. Ich wollte für sie beten und den Kontakt mit dem sich noch im Menschenleib befindenden Geist aufnehmen und ihm klarmachen: “Bald stehen wir Hand in Hand miteinander im Reiche Gottes.”

Diese Erlaubnis wurde mir gegeben, und so erfülle ich meine Aufgabe in der Weise. Meine Tätigkeit ist ganz vielseitig: Das eine Mal finde ich meinen Platz bei einem einsamen Menschen. Ich bete für ihn, ich flehe Gott um Gnade an; ich bete im Namen des Erlösers Jesus Christus, und ich bete in seinem Namen, Gott möge ihm gnädig sein, er möge ihn aufnehmen, ihm vergeben. So tat ich es das eine Mal, und das andere Mal versuchte ich, mit dem Menschengeist ins Gespräch zu kommen, ihn aufmerksam zu machen auf die letzten Stunden seines Lebens und mit ihm zu beten.

Ich habe also viele Möglichkeiten, meinen Dienst zu erfüllen, und ich tue es noch, und es macht mich glücklich. So stehe ich in der Ordnung Gottes und erfülle meinen Dienst am Nächsten. Und so wie man mich geführt hat, so wie man mir gnädig und barmherzig war, will auch ich die andern führen und will für sie beten.

Doch eines möchte ich euch noch verraten: Manchmal ist es hart – manchmal ist ein Mensch Gott nicht gefällig, er hat kein gutes Leben zurückgelegt. Dann werde ich auf seine Läuterung aufmerksam gemacht, auf die Bedrängnis, die seiner wartet. Aber durch mein Gebet, durch meine Aufopferung ist es mir erlaubt, ihn zu führen, ihn zu trösten. Ich darf ihm Tröster sein an seinem Ort der Bedrängnis, ihn dann immer wieder auf die Liebe und die Herrlichkeit Gottes aufmerksam machen und auf die Gnade, die auch ihn erfassen wird, dass er eben zu warten hat, bis diese Gnade an ihn herankommt. So erfülle ich meine Aufgabe.

Und wie es so üblich ist bei uns, sagt man: Die Menschen, die da auf Erden leben, hängen an ihrem Leben, an ihrer Umwelt, an dem, was sie vielleicht selbst geschaffen haben. Sie wollen sich nicht trennen von dieser irdischen Welt, sie wollen sich nicht trennen! Sie möchten immer Mensch sein. Erst dann, wenn sie alt geworden sind und ihr Körper ihnen beschwerlich wird, werden sie anders gestimmt, dann sind sie bereit zu gehen; aber es geht lange, bis es so weit ist. Jene, die in der Blüte ihres Lebens stehen, denen es gut geht, sie wollen nicht sterben, sie wollen nicht. Und sie wollen sich auch in der Anfangszeit in der Jenseitswelt nicht zufriedengeben; darum bedürfen sie dieser Betreuung. Die Menschen wollen nicht sterben. Und wie ist es im Jenseits? Wenn sie sich eingegliedert haben und sie sich glücklich fühlen in der grossen, schönen, harmonischen Familie – dann wollen sie nicht mehr heraus. Wenn ihnen jedoch gesagt wird: “Nun ist’s bald Zeit, du musst noch mehr erreichen. Deine Stellung, die du jetzt hast, genügt nicht, du musst nun in ein neues Erdenleben”, dann sagen sie: “Nein, noch nicht, noch nicht! Lasst mich hier, lasst mich hier, lasst mich nicht gehen. Ich will nicht zur Erde zurück, lasst mich doch hier sein.”

Da muss manches [zur Vorbereitung] fürs neue Erdenleben auch wieder mit sanfter Gewalt in den Schlaf versetzt werden, weil es sich der geistigen Welt angepasst hat, weil ihm diese Welt gefällt und weil das andere unsicher ist, weil man nicht Bescheid weiss. Denn die Jenseitigen wissen von den Gefahren, von den Versuchungen, die es auf Erden gibt, und dass man so schnell fallen und so schnell etwas verlieren kann. Und im geistigen Reiche kann man es doch schön gehabt haben. So ängstigt man sich darum, dass man das, was man erworben hat, verlieren könnte, wenn man als Mensch versagte und das Erdenleben nicht richtig gelebt hat – weil nichts von dem durchgedrungen ist, was man im Reich Gottes, in seiner Familie erlebt hat. Denn nichts wird ihm als Mensch in die Erinnerung treten, weil er neu anfangen muss, weil er aufs Neue beweisen muss, was für ein Verlangen er hat: ob er wahrhaftig in der Tiefe seiner Seele gefestigt ist, ob ihn wahrhaftig die Sehnsucht nach Gott plagt, nach seiner heiligen Welt, nach dem König der Geisterwelt, nach Jesus Christus.

So ist es, liebe Geschwister. Weder hüben noch drüben wollen sie die Welt verlassen, in der sie sind. Und so kommt oft eine Gewalt, die sie zwingt, ihre Welt zu verlassen, um dann in ein höheres Leben einzutreten, eine höhere Stufe einzunehmen und schneller aufwärtszukommen.

Die Menschen mag es schmerzen, wenn etwas in der Weise geschieht, wie es heute geschehen ist [Philipp bezieht sich hier auf den eingangs erwähnten Flugzeugabsturz]. Im Reiche Gottes ist es nicht so – die Betreffenden werden schneller zu Gott kommen, sie werden aufgenommen und geführt. Sie werden in die Spitäler geführt, in den Schlaf versetzt; und dann, wenn Ruhe über die Zurückgebliebenen gekommen ist und ihre Tränen nicht mehr über ihre Wangen rollen, wird es für jene Zeit zum Wachwerden. Und sie werden das alles aus einer anderen Sicht beurteilen und dem neuen Leben anders gegenüberstehen.

So durfte ich diese Worte zu euch sprechen, und ich möchte nun für euch alle den Segen Gottes erflehen, dass ihr behütet werdet vor jeder Not, vor aller Bedrängnis, vor dem Unglück. Die starke Hand Gottes möge euch führen, dass ihr seinen Segen spürt; dass das von euch weggeführt wird, was euch schadet, und euch das zugeführt wird, was für euch gut ist. So möge Gottes heiliger Wille geschehen im Himmel und auf Erden – überall. Gott zum Gruss.

Erlebnisbericht von Philipp vom 4. September 1963 durch Mittlerin Beatrice Brunner im Saal an der Münchhaldenstrasse, Zürich

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